Bargfeld in preußischer Zeit

Can Özren

Die dänische Herrschaft über die Herzogtümer Schleswig und Holstein endete im Jahre 1864, als das im Krieg gegen Preußen und Österreich unterlegene Dänemark sie an die Sieger abtreten mußte. Die Hoffnung der Bevölkerung auf die Gründung eines eigenen Fürstentumes innerhalb des Deutschen Bundes unter der Regierung des Hauses Augustenburg wurde jäh zerschlagen, als Preußen und Österreich die gemeinsame Verwaltung der Herzogtümer übernahmen. Holstein, und damit auch Stormarn, wurde von den Österreichern verwaltet.

Diese gemeinsame Verwaltung führte infolge der Interessenunterschiede zu Differenzen zwischen den beiden ohnehin rivalisierenden deutschen Großmächten: Österreich trat für einen selbständigen Mittelstaat ein, allerdings abweichend von den Vorstellungen der Bevölkerung, Preußen dagegen war nur dann bereit, einem solchen Staat zuzustimmen, wenn er außenpolitisch, wirtschaftlich und militärisch von Preußen abhängig gewesen wäre - als ein preußischer "Satellitenstaat".

Der bestehende Dualismus zwischen den beiden Mächten konnte schließlich nur noch durch Krieg gelöst werden: Österreich wurde 1866 von Preußen militärisch besiegt. Am 23. August 1866 trat Österreich im Vertrag von Prag seine Rechte an Schleswig-Holstein an Preußen ab. Bereits im September desselben Jahres brachte Bismarck einen Gesetzentwurf über die Annexion Schleswig-Holsteins in das preußische Abgeordnetenhaus ein, der auch angenommen wurde. Am 24. Dezember 1866 erließ König Wilhelm I. von Preußen das Annexionsgesetz. Durch ein Besitzergreifungspatent - "Annexionsurkunde" - wurde Schleswig-Holstein am 12. Januar 1867 als Provinz dem Königreich Preußen einverleibt. Am 1. Oktober desselben Jahres wurde die preußische Verfassung in Schleswig-Holstein eingeführt. Damit wurden das preußische Verwaltungssystem auf Schleswig-Holstein übertragen. Es umfaßte die Bereiche Verwaltung, Steuer, Gerichtsbarkeit, Militär und Gewerbe. Die Einrichtung Schleswig-Holsteins zu einer preußischen Provinz brachte zahlreiche Veränderungen mit sich, die tief in das Leben der Schleswig-Holsteiner eingriffen.

An erster Stelle ist die in der Anfangszeit sehr verhaßte allgemeine Wehrpflicht von drei Jahren zu nennen, die bereits am 13. Oktober 1866 eingeführt wurde, als Schleswig-Holstein unter preußischer Hegemonialstellung in den Norddeutschen Bund aufgenommen wurde. Die Wehrpflicht war deshalb so verhaßt, weil sich die Schleswig-Holsteiner anfänglich weder mit der preußischen Staatsidee identifizieren konnten, also auch keinen Willen verspürten, diesem Staate zu dienen, noch waren die Schleswig-Holsteiner vom Militärdienst überhaupt begeistert: In der dänischen Zeit konnten sie sich durch Stellvertreterstellung vom Militärdienst "freikaufen"; aus preußischer Sicht ein Mißstand, den die preußische Wehrverfassung zu verhindern wußte. In Schleswig-Holstein wurde die 18. Infanterie-Division des IX. Armeekorps aufgestellt, die bereits im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 eingesetzt wurde. Es muß nicht darauf hingewiesen werden, daß die Schleswig-Holsteiner, nachdem anfänglich viele junge Männer ihre Heimat in Richtung Amerika verlassen hatten, um sich somit dem Wehrdienst zu entziehen, mit der Zeit im Deutschen Reich aufgingen und sich zu Patrioten entwickelten und genauso im Militär ein Lebensideal entdeckten wie alle anderen Deutschen oder Europäer auch.

Eine weitere Maßnahme war die Reformierung des Steuerwesens durch die Einführung des preußischen Steuerrechtes in der neuen Provinz. Damit wurde die ungleiche und auch ungerechte Abgabenverteilung der dänischen Zeit aufgehoben. Allerdings barg auch das neue Steuerrecht seine Nachteile, denn die Vielzahl der zu leistenden Abgaben - neu waren z. B. Einkommens- und Gewerbesteuer - machte es dem alten System gegenüber sehr viel komplizierter. Auf der anderen Seite aber waren die preußischen Beamten so flexibel, daß sie ausstehende Steuerschulden zu mindern oder zu stunden bereit waren.

Die wohl tiefgreifendste Reform, die noch heute spürbar ist, war die Kreisordnung von 1867, in der die Landkreise der Provinz Schleswig-Holstein gegründet wurden. Auf dem heutigen Landesgebiet von Schleswig-Holstein sind diese Kreise im wesentlichen noch erhalten, abgesehen von einzelnen Gebietskorrekturen, die z. B. Storman im Falle des "Großhamburg-Gesetzes" betroffen haben.

Eine weitere Neuordnung, die zudem in die gesellschaftlichen Verhältnisse eingriff, war die Verwaltungsreform vom 28. April 1867, in der die Patrimonialgerichtsbarkeit der adeligen Gutsherren über ihre Grundhörigen aufgehoben wurde. An ihre Stelle traten ordentliche Amtsgerichte; für Bargfeld war das Amtsgericht in Bargteheide zuständig. Verwaltung und Rechtsprechung waren nunmehr voneinander getrennt.

Am 30. April 1872 wurden die Güter Jersbek und Stegen durch die "Landgemeindeordnung" in Guts- und Gemeindebezirke aufgeteilt (in einigen Teilen der neuen Provinz wurde diese Anordnung schon 1867 durchgeführt): die Gemeinde Bargfeld entstand. Aus dem Kreisblatt für Stormarn vom 6. September 1889 geht hervor, daß Bargfeld zu dieser Zeit eine Fläche von 1032 Hektar besessen hat, nur unmerklich weniger als das Gut Jersbek, aber wesentlich mehr als die anderen Gemeinden im Amtsbezirk. Von nun stand an der Spitze der Gemeinde nicht mehr der vom Gutsherrn ernannte Gemeindevogt, sondern der von den männlichen Bewohnern der Gemeinde gewählte Gemeindevorsteher. In den Landgemeinden gab es eine kommunale Selbstverwaltung. Diese Verordnung trug entscheidend zur Stärkung des Bauernstandes bei, der sich auf kommunaler Ebene politisch entfalten konnte.

Bereits 1888 erfuhr der Kreis Stormarn mit der "Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein" abermals eine Neuorganisation der Verwaltung; sie trat am 1. April 1889 in Kraft: Die Gutsobrigkeiten wurden endgültig abgelöst, der Kreis wurde in 26 Ämter eingeteilt. Bargfeld gehörte zum neuentstandenen Amt Jersbek. War der Schleswig-Holsteinische Provinzial-Landtag nach der Verfassung von 1867 noch eine Ständeversammlung, in denen die gewählten Vertreter des Großgrundbesitzes, der Städte und der Landgemeinden vertreten waren, so war dieser Landtag seit 1889 eine Vertretung der Landgemeinden. Trotz der relativ zentralen Regierungsform des preußischen Staates führten diese Verwaltungsreformen, die sich über 20 Jahre erstreckten, zu einer für die damalige Zeit sehr weitgehenden Selbstverwaltung auf allen Verwaltungsebenen.

Eine neue Situation entstand infolge des Aufschwungs der "Gründerzeit" in Schleswig-Holstein. Das Land blieb bis auf wenige neu entstandene Industrien in den Hafenstädten, vornehmlich im Kriegshafen Kiel, sowie in Neumünster und in den Hamburger Randgebieten in erster Linie ein Agrarstaat, was letztendlich durch seine wirtschaftsgeographische Randlage bedingt war. Allerdings verließen viele Landbewohner das Land, um in den Städten wie Kiel, Neumünster, Lübeck und besonders in Hamburg neue Arbeit zu finden. Der Kreis Stormarn blieb in dieser Zeit ein rein agrarisch strukturierter Kreis, bis auf Wandsbek, in dem einige kleine Industriebetriebe entstanden.

Gleichzeitig nahm die Landwirtschaft einen ungekannten Aufschwung aufgrund der steigenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den Städten - der Teil des Kreises Stormarn, in dem Bargfeld liegt, lag günstig zwischen Hamburg und Lübeck, zwei Städten, in denen die Bevölkerung ständig anstieg und ernährt werden wollte. Die an den Fassaden vieler Bargfelder Bauern-häuser erhaltenen Baudaten fallen in diese Zeit und zeugen noch heute von dem Wohlstand und dem neuen Selbst-bewußtsein eines erstarkten Bauernstandes, der nun auch ein gewisses politisches Mitspracherecht besaß. In diesen Tagen veränderte sich die Struktur der Landwirtschaft dahingehend, daß die Viehzucht und die Automatisierung immer mehr an Bedeutung gewannen. Das Fehlen der in die Städte abgewanderten Arbeitskräfte in der Landwirtschaft konnte durch den technischen Fortschritt weitestgehend ausgeglichen werden: Bei der Ernte konnten mit Dampf betriebene Maschinen eingesetzt werden, die häufig wandernden Lohnarbeitern gehörten. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg konnte auch der elektrische Strom zum Antrieb von Verarbeitungsmaschinen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nutzbar gemacht werden. Der unaufhaltsame Fortschritt des industriellen Zeitalters kehrte somit auch in Bargfeld ein, wenn auch mit Verspätung im Vergleich zu vielen weiter entwickelten Gebieten innerhalb des Deutschen Reiches.

Die deutsche und die preußische Regierung, aber auch die Landesregierung sahen es als Notwendigkeit an, auch die Ortschaften abseits der großen Städte mit Strom zu versorgen, allein schon um die Infrastruktur zu fördern, denn das Fehlen von Arbeitskräften in der Landwirtschaft machte den verstärkten Einsatz von Maschinen für die Verarbeitung der Ernte erforderlich. Noch bevor Bargfeld vor Beginn des Ersten Welkrieges, ab 1912, an die Überlandleitung zur Stromversorgung angeschlossen wurde, besaß es ein eigenes "Elektrizitätswerk", über das aber nicht viel bekannt ist. Seine Aufgaben lagen wohl in der Erzeugung von elektrischem Strom für das Licht und zum Betreiben der landwirtschaftlichen Maschinen.

In der Weimarer Zeit blieb das Land Schleswig-Holstein weiterhin eine preußische Provinz. In dieser Zeit muß in Bargfeld eine schlechte Finanzlage geherrscht haben, da sich Gemeinde und Gut Stegen nach der Auflösung des Gutes weigerten, sich mit Bargfeld zusammenzuschließen, da das Dorf hohe Schulden hatte. Der Zusammenschluß erfolgte dennoch am 1. Oktober 1928. Auf der Potsdamer Konferenz 1945 beschlossen die Siegermächte, das Land Preußen, das sie klar als Hort des deutschen Militarismus und der Reaktion erkannt hatten, aufzulösen. Damit endete die preußische Zeit für das Dorf Bargfeld.